Dienstag, 10. Mai 2011

Dreizack mit fünf Spitzen


2006 Maserati Quattroporte
2006 Maserati Quattroporte
von The Car Spy 
Stellt man einem Kleinkind die Aufgabe ein Auto zu malen, bekommt man weltweit in 99,9% der Fälle ein identisches Ergebnis: Motorhaube, vier Türen, vier Räder, auf Fahrerseite irgendetwas Astartiges was ein Lenkrad sein soll und zum Abschluss ein Stufenheck.
Die Welt dreht sich, Monde kommen, Monde gehen, dass damals den Wagen malende Kinder wird älter und größer und erkennt, dass es jenseits des Stufenheckkosmos eine aufregende Galaxie an Heck- und Autoformen gibt. Fließheck, Stummelheck, Schrägheck und das spektakuläre Steilheck. Unstreitig befanden sich noch nie mehr Autodesigns auf den Straßen als heute. Woraus resultiert dann diese absolute Selbstverständlichkeit bezüglich der Art und Weise wie Autos in den Kindergärten dieser Welt gemalt werden? Die Erklärung ist simpel, einleuchtend, elegant (im wahrsten Sinne des Wortes), ein Stufenheck bis 2004 (ab 2004 wohl eher ein Stummelheck) und hat zwei Worte: Maserati Quattroporte.


Urgroßvater des Quattroporte: Maserati A6G 2000
von Norbert Schnitzler
Wie so oft in der Geschichte der Automobilindustrie stand zu Beginn das Streben einer kleinen Gruppe von Italienern immer schneller fahren zu können. Als klar wurde dass viele Menschen diesen Drang teilten und man inzwischen das eigene Streben perfektioniert hatte, beschloss man aus den Umständen Profit zu schlagen und gründete im Dezember des Jahres 1914 die Firma Società Anonima Officine Alfieri Maserati. Es sollte aber noch 32 Jahre dauern bis die fünf Brüder Ettore, Alfieri, Carlo, Ernesto und Bindo sich dazu durchrangen einen Serienwagen mit dem berühmten Dreizack Emblem auf den Markt zu bringen. Den Maserati A6 (Vorsicht: Verwechslungsgefahr mit dem gleichnamigen Audi!!!). Eine für damals perfekte Vereinigung von Brachialität und Eleganz. Angespornt von der positiven Resonanz folgten in den nächsten Jahren neue Ausführungen und Baureihen. Der A6G mit überarbeiteter Karosserie (unter anderem gab auch Pietro Frua seinen Senf dazu, na ja zumindest die Firma, auf jeden Fall der Frua von Helmer Petterson und seinem P1800) und einer verbesserte Motorisierung von stolzen 100 PS. Maserati ließ danach noch den 3500GT und den 5000GT auf den solventen Geschwindigkeitsfanatiker los.

17 Jahre nachdem der erste Serienwagen auf den Markt kam, entstand in den heiligen Hallen Maseratis das Konzept für den oben erwähnten Maserati Quattroporte. Ausschlaggebender Grund für eine rasant-rassige, viertürige und geräumige Limousine waren, so besagt es die Legende auf den Straßen der Heimatstadt Bologna, die ersten Enkel der fünf Brüder. Aus der Not und der Gefahr ihre schnelle Fortbewegung im Alter zu verlieren, nur damit Enkel mitfahren konnten, wurde eine Idee und eine Modellreihe geboren die bis zum heutigen Tag in ihren Grundfesten existent und unverändert geblieben ist.

Wenn es etwas am Quattroporte zu kritisieren gibt, dann ist es der vielleicht einfallsreichste Name der Geschichte. Man stelle sich vor Mercedes hätte den neuen SLS „Mercedes Hochtür“ genannt. Hätte sich das Rad durchgesetzt wenn sein Erfinder es „Drehrundding“ genannt hätte? Eventuell, der Quattroporte hat sich ja schließlich auch am Markt etabliert, trotz seines unvorteilhaften Namens. Aber was wäre gewesen wenn der Quattroporte keinen so offensichtlich unattraktiven Namen bekommen hätte, sondern wie das Rad seinen Namen nicht anhand seiner offensichtlichen Eigenschaft erhalten hätte. Historiker sind einer Meinung, dass der Maserati sich ähnlich stark wie das Rad verbreitet hätte und demnach das Fortbewegungsmittel Nr.1 gewesen wäre.

Quattroporte
Quattroporte I
von Leo-setä
Der Quattroporte I ließ alle seine Konkurrenten mit beeindruckenden technischen Daten auf der Strecke zurück. Der V8 Motor schaffte knapp 260 PS (nimm das Dacia!) und erreichte als Spitzengeschwindigkeit 230km/h. Da es sich vom Konzept her um eine Oberklassenlimousine handelte, musste der Quattroporte sich von den bisherigen Sportwagen Maseratis abheben. So wurden ihm unter anderem drei der größten Erfindungen der Menschheit spendiert: Elektrische Fensterheber, eine Klimaanlage  welche in der zweiten Baureihe des Quattroporte I ab 1966 zur Serienausstattung gehörte und Ledersitze in denen man versank. Ab 1968 schienen die Enkel mit zu nehmenden Alter Geschmack an hohen Geschwindigkeiten gefunden zu haben und der Quattroporte bekam eine neue Motorvariante die es auf 300PS schaffte. 1970 wurde die Produktion des fantastischen Quattroporte I eingestellt.

Der Quattroporte II ist ein dunkles Kapitel in der Geschichte. Wie so oft hatten Franzosen die Finger im Spiel und hatten bestimmt nichts als gute Absichten, was aber gelinde gesagt nach hinten losging. Der Quattroporte II ist eine überdimensionierte Variante seines nahen Cousins Citroen SM. Er hatte Frontantrieb, 190PS und eine entenhafte Beschleunigung von 0-100km/h in 10 Sekunden. Schon früher also betätigten sich Franzosen gerne als Evolutionsfeinde (siehe zum Thema Evolution und Frankreich auch: http://karrenkult.blogspot.com/2011/04/homo-gruk-und-der-radikale-rumanische.html). Gott sei Dank wurden von dieser grässlichen Schöpfung nur 13 Modelle gebaut.

Maserati Quattroporte
Maserati Quattroporte III
von Craig Howell
Nach dem kurzen Ausflug im Eigentum von Citroen und der französischen Erkenntnis, dass man mit Maserati nichts anzufangen wusste, wechselte Maserati den Besitzer und kam Nationalitätentechnisch wieder nach Hause. Neuer Eigentümer war De Tomaso. Vom großen Erfolg des Quattroporte II angespornt und mit dem Willen diesen zu übertreffen, setzte man einen möglichen Quattroporte III an oberste Stelle der Prioritätenliste. Die Rückkehr im Jahr 1979 war grandios. Auf Basis des De Tomaso Deauville (dem französischen Einschlag im Namen zum Trotz!) präsentierte sich der dritte Quattroporte in der Tradition seines Großvaters. Hinterradantrieb, 255 PS, 280 PS, 300 PS (je nach Ausführung und Baujahr), Höchstgeschwindigkeiten bis zu 230km/h und ein fantastisches Fahrwerk kombiniert mit entsprechend luxuriöser Ausstattung. Erwähnenswert ist, dass Giorgio Giugiaro beim Design federführend wirkte. So sind Ähnlichkeiten zum Lancia Delta oder dem späteren De Lorean DMC bemerkbar. Alle basierten auf Giugiaros Konzeptwagen den Medici I und Medici II. 1986 kam eine handgefertigte Luxusausführung des Quattroporte III auf den Markt. Der Maserati Royale. Der fastfoodnahe Namen täuschte. 53 Exemplare wurden ausgeliefert. Kunden waren zumeist Politiker. 1990 fand der Quattroporte III seinen wohlverdienten und würdevollen Ruhestand.

1994, Maserati hatte wieder einmal den Eigner gewechselt und gehörte nun zur italienischen Übermarke Fiat, wurde der Quattroporte IV der Welt vorgestellt. Im Rücken die monumentale Finanzgewalt Mama Fiats, trauten sich die verantwortlichen Personen bei Maserati eine dezent neue und modernere Ausrichtung einzuschlagen. Marcello Gandini (unter anderem verantwortlich für das Design von Autos wie Alfa Romeo Montreal, Lamborghini Countach, Diablo, Espada, Jarama, Miura und Urraco, der ersten Generation des 5er BMW, Bugatti EB110, Ferrari Dino 308GT4 und dem Auto ohnegleichen, dem Lancia Stratos) verpasste dem Quattroporte IV ein wesentlich aerodynamischeres Aussehen mit dem für Gandini typischen leichten Zug nach vorne. Technisch befand sich Nr. IV in der Tradition seiner ruhmreichen Vorgänger. 284 PS bis 335 PS und Höchstgeschwindigkeit von bis zu 270km/h.

Maserati Quattroporte
Quattroporte IV
von FotoSleuth
1998 war es wieder einmal so weit. Maserati und Fiat funktionierte nicht und Ferrari nahm Maserati unter seine Flügel. Prompt wurde eine neue Version des Quattroporte IV mit dem Beinamen Evoluzione angekündigt. Abgesehen von vielen Verbesserungen im Wege der Produktion und Detailverbesserungen an über der Hälfte aller verbauten Teile war die vielleicht größte und wichtigste Änderung, der Wegrationalisierung der traditionsreichen Ovalen Maserati Uhr. 2001 endete die Geschichte des vierten Abkömmlings.

2006 Maserati Quattroporte
2006 Maserati Quattroporte, endlich wieder mit Uhr!
von The Car Spy
2004 wurde das fünfte und bisher letzte Basismodell der Familie Quattroporte vorgestellt, welches 2008 eine Erneuerung bekam. Wieder schaffte Maserati eine Hommage an die seit den 60er Jahren bestehende Tradition der Modellreihe. Das kantige Design fiel einer wesentlich runderen und weicheren Karosserie zum Opfer, wodurch eine Neuausrichtung erfolgte, weg von einer aerodynamischen Sportlimousine, hin zu einem klassisch angehauchten und hochgezüchteten Gran Turismo. Offensichtlich war die wichtigste Neuerung und technische Ausstattung: Die Rückkehr der Uhr. Andere Daten erschienen daher absolut nebensächlich (400-440PS, 0-100km/h in 5,6 Sekunden, bei fast 2t). 

2009 Maserati Quattroporte Sport GT S
2009 Maserati Quattroporte V
von Brian Snelson
Was bleibt abschließend als Erkenntnis? Der Quattroporte befindet sich seit fast 60 Jahren im Konzept unverändert am Markt und faszinierte dementsprechend hunderte wenn nicht tausende von Generationen, beeinflusste die Wahrnehmung technischer Möglichkeiten, begründete die Gattung der familientauglichen Wagen, deren Besitz Familienväter pünktlich mit stolzgeschwellter Brust ihre Kinder von der Schule abholen lässt und ist würdig als letzte Fahrt zur Ruhestätte zu dienen (Lech Kaczyński 2010).

Eindeutig: Der Quattroporte ist das Auto, weswegen wir Autos mit Stufenheck malen.



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