Donnerstag, 5. Mai 2011

Roll, roll, roll, roll....

Volvo! (lat.) Ich rolle! Bis zum Jahr 1961 standen sich Name, Anspruch und Realität beim schwedischen Autobauer nicht im Weg. Der Name drückte skandinavische Konstanz und Unaufgeregtheit aus. Während in den 50er Jahren andere Autobauer wie Opel oder Ford die Möglichkeiten jenseits der Biederkeit austesteten, verließen sich die Schweden bei ihren Modellen auf die oberste skandinavische Prämisse „Rollen muss es, und zwar immerzu“.

Copenhagen: Volvo 444
Volvo PV444
von Tomislav Medak
Technisch waren die Modelle auf der Höhe der Zeit. Auch im Bereich des Komforts boten die Modelle keinen Grund zur Klage, da die hohe Rollafinität die Ingenieure zum Schluss kommen ließen, dass Volvos optimal für Langstreckenfahrten geeignet seien und daher entsprechend ausgestattet sein müssten. Angeblich waren Raststätten im Norden Europas überfüllt mit Millionen von PV444s, PV 544s und 120/130/220s.

Ende der 50er Jahre, nachdem bekannt und bewiesen worden war, dass Autos in der Tat flacher, sportlicher und ansprechender sein konnten, kam bei Volvo das Verlangen auf seinen Teil zu diesem Fakt beizutragen. In nächtelangen Sitzungen wurde beraten wie dies zu bewerkstelligen sei. Schließlich kam man zum Schluss, dass niemand besser geeignet sei ein Auto mit schwedischen Eigenschaften, aber ansprechendem Äußeren zu gestalten, als die Italiener. Man sprach diverse Italiener an, niemand schien interessiert. Deprimiert wurden wieder Sitzungen einberufen. Da keine Italiener für den Job begeistert werden konnten, beschloss man dass nächst Beste zu versuchen. Man engagierte einen skandinavischen Lehrling eines italienischen Designers und würde einfach behaupten, dieser habe es entworfen.

Pelle Pettersson vor einem P1800
So kam der bei Pietro Frua in der Ausbildung steckende Pelle Petterson, der Sohn von Helmer Petterson welcher für den PV444 verantwortlich war, in den Genuss den Auftrag für Volvo zu gestalten. Erst im Jahr 2009 sprach Volvo das Design Pelle Petterson zu. Kein Wunder, denn was aus der Feder dieses Schweden entstand, hätte das Weltbild von Skandinaviern nachhaltig verändert. Das Zentrum des Dolce Vita wäre wohl nicht in Italien verblieben, sondern extrem nordwärts gewandert. Andererseits hätte auch niemand ernsthaft in Erwägung gezogen, dass so etwas ein Schwede entworfen haben könnte. 2009 schien die Zeit einfach reif der Welt die Wahrheit zu verkünden, nachdem IKEA mehr oder minder erfolgreich ein paar Jahrzehnte der Welt versucht hat glauben zu machen, dass Schweden doch irgendwo stillvoll sein können. Dem unspektakulären Namen zum trotz, hatte der Entwurf und dass darauf basierende Serienmodelle es in sich. Der P1800, ab 1963 hieß er P1800 S weil die Produktion wegen minderer Qualität von West Bromwhich nach Göteborg verlegt worden war (das S stand einfallsreicher Weise für Schweden), erblickte 1961 das Licht der Welt.



Helgonets bil, Volvo P1800
Volvo P 1800
von Karl Jonsson
(An dieser Stelle würde normalerweise ein Absatz eingeschoben sein, der sich mit der Optik des P1800 befassen würde, aber die Bilder sagen mehr, als der Absatz könnte)

Doch dank „Ästhetik-war-uns-schon-immer-ein-wenig-suspekt-VW“ wäre das Vorhaben von Volvo fast im Keim erstickt worden. Volvo, in Person von Helmer Petterson, sprach bei dem traditionell eng mit VW verbundenen Hersteller Karmann vor. Als VW von der Möglichkeit einer ambitionierten Zusammenarbeit von Volvo und Karmann im Bereich der Sportcoupes Wind bekam, zogen die Wolfsburger die Notbremse und spielten ihre Karte als enorm wichtiger Geschäftspartner von Karmann aus und drohten alle Verträge zu kündigen und dementsprechend in Zukunft keine Aufträge mehr an Karmann zu vergeben.

Naziwissenschaftler ausschaltender P1800
mit Roger Moore
Mit Jensen Motors fand sich dennoch ein, wenn auch inkompetenter, Partner mit dem Volvo den P1800 schließlich im Jahr 1961 auf den Markt brachte. Erstaunlicher Weise war die Resonanz relativ verhalten. Ein Sportcoupé aus Schweden war ein Widerspruch, leider unbegründet, in sich. Volvo kam jedoch glücklicher Weise zugute, dass der P1800 S von Roger Moore in der Serie „The Saint“ gefahren wurde, Jaguar war nämlich der Auffassung dass es unter der Würde eines Jaguars wäre einen Junggesellen der viele Frauen abschleppt, nebenbei Bomben entschärft und Naziwissenschaftler ausschaltet zu transportieren. Volvo ließ sich auf das konträre Bild eines Schweden außerhalb seiner Komfortzone mit Frauen und Bomben ein, was einen enormen Popularitätsschub zur Folge hatte der sich in den Absatzzahlen erkennen ließ.

Volvo P1800
Wird niemals ausrollen...
Volvo P1800 von FotoSleuth
Am 27.06.1973 lief das letzte Modell der P1800 Reihe vom Band. Ab 1972 wurde nur noch der hässliche kleine Bruder, der P1800ES auch Schneewittchensarg genannt, produziert, dennoch markierte dieses Datum das Ende einer Ära bei Volvo. Vor fast 28 Jahre endete die Produktion des mit großer Wahrscheinlichkeit schönsten Volvo den die Welt jemals gesehen hat und sehen wird.

(Bei keinem Auto der Welt ist die Verbindung Markenname-Eigenschaft treffender. Der P1800 eines gewissen Irv Gordon hat seit 1966 ca. 4 000 000 km bewältigt. Volvo...) 


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