Wir von Karrenkult sind empathisch. Wir haben größte
Sympathien für unsere katholischen Freunde die sich wegen Missbrauch und
anderen Dingen Kritik ausgesetzt sehen und sich wegen eines inzwischen durchaus
gesellschaftsfähigen Katholikenhasses permanent in der Defensive und nahe dem
Martyrium befinden. Aber wir sind nicht parteiisch! Daher haben wir für alle
Anhänger verfolgter Gruppierung Mitleid, Sympathie und Solidarität. Denn die
traurige Nachricht ist: Wir werden auch verfolgt! Als Freund der Formel 1 sieht man sich seit Jahren
den immer gleichen Anschuldigungen konfrontiert. Formel 1 ist kein Sport! Im
Kreis fahren ist langweilig! Dabei zuschauen noch viel mehr! Formel 1 ist
umweltschädlich! An den Reifen der Formel 1 klebt Blut! Die Hasen in Spa haben
Gehörprobleme! Die Autos sind nicht ästhetisch! Die Liste der Vorwürfe lässt
sich unendlich weiterführen. Grund für diese Art von Rassismus ist Unwissenheit.
Die Angst vor Unbekanntem, was man in seiner Gänze aufgrund Unwissenheit nicht
nachvollziehen kann, treibt den Mensch dazu an vorurteilsbeflügelte Urteile zu
fällen. In Sachen Religion sind wir überfragt. In Sachen Formel 1 können wir
jedoch Abhilfe verschaffen. Sollte nächstes mal bei der Dinnerparty über die
eigenen Formel 1 Leidenschaft rund um den Tischer herum wieder einmal die Nase
gerümpft und der kleine Finger abgespreizt werden, einfach den Rümpfenden die
“Grand Prix” Blu-Ray in die Hand drücken und verabschieden.
„Grand Prix” von 1966, geschaffen von John
Frankenheimer, ist unübertrieben ein Meisterwerk. Ein Meisterwerk für Liebhaber
und Aufklärungswerk für Zweifler, denn bis zum heutigen Tag hat es kein Film in
vergleichbarer Weise geschafft die Aspekte der Formel 1, welche eben die
Faszination ausmachen, auf die Leinwand zu bringen und in der Gänze ihres
Spektrums umfassend darzustellen. Die überraschende Erkenntnis: Der Kern der
Formel 1 ist beständiger als man aufgrund der ständigen Regeländerungen und dem
Wandel des Gesichts des Sportes innerhalb der letzten 40 Jahre annehmen könnte.
Der enorm hohe Grad an Realismus, den der Film auszeichnet, spiegelte sich
sowohl in der Darstellung der Rennen, als auch auf psychologischer Ebene
wieder. Selbst das paar Jahre später erschienene “Le Mans” mit Steve McQueen,
der ja als Realitätsfetischist durchaus bekannt war, hat keine, auch für
heutige Standards, derartig detaillierten und rasanten Aufnahmen der Boliden.
Detailaufnahmen der Cockpits, gepaart mit wahrnehmbaren Impressionen von
arbeitenden Autoparts, wie den Stoßdämpfern bei jeder noch so kleinen
Bodenunebenheit, und die Ruhe des Regisseurs einfach mal zwischendurch eine
komplette Runde durch die Augen einer an der Front eines Boliden angebrachten
Kamera zu zeigen begeistern.
Die Hintergrundgeschichte ist relativ simpel und
dennoch packend, die romantischen Damengeschichten einfach mal ignoriert.
Hauptprotagonisten, die unter anderem die verschiedenen Fahrerprototypen
symbolisieren, sind vier Fahrer die um den Weltmeisterschaftstitel kämpfen. Es
gibt den sorglosen Draufgänger, den zweifelnden Philosophen, den Verstoßenen
mit dem Killerinstinkt und den verletzten, rastlosen Rückkehrer. Durch ihre
Geschichte, ihre Sichtweisen auf den Sport, ihre Konflikte mit sich selbst und
dem Umfeld, wird auf wundervolle Weise anschaulich dargelegt, wieso und warum
Formel 1. Der Wahrheitsgehalt, ein erschreckend prophetischer sogar, des Filmes
erreicht am Ende vor dem letzten Rennen seinen Höhepunkt. Betrachtet man
Archivaufnahmen des melancholischen Sennas vor dem Start in Imola 1994 und
vergleicht diese mit dem fiktiven Material des Filmes, so wird klar, dass die
psychologischen Profile des Filmes weit über Fiktion hinausgehen und die bis
heute unveränderte Gefühlswelt der Fahrer widerspiegelt. Die richtiger Weise
bis heute noch immer andauernde Sicherheitsdebatte hinsichtlich Zuschauer an
der Strecke und der Fahrer auf der Strecke wird schlicht, aber mehr als
passend, durch Fahrersitzungen und tödliche Zuschauerunfälle ins Bewusstsein
gerückt. Sensationsgeilheit der Medien wird durch ein paar Brandnarben thematisiert.
“Grand Prix” ist ein wahrlicher Fundus an
Querverweisen innerhalb der traditionsreichen Geschichte der Formel 1.
Ein für Historiker unglaublich schmackhafter Leckerbissen ist mit Sicherheit
die Inszenierung. Lange andauernde Panoramen, fernsehübertragungsnahe
Einstellungen und Aufnahmen des Umfeldes der Strecken lassen den Wandel der
Zeit intensiv erleben. Monaco mit kurzem Tunnel und kaum Hotels, Spa im Regen
mit fast nichts als Wald und ein Monza mit der unendlichen Steilkurve. Der einzige
Wehmutstropfen ist, dass es keine Aufnahmen vom Rennen auf dem Nürburgring
gibt. Zweiter Leckerbissen ist, dass durch die Aufnahmen John Frankenheimer die
Originalteams überzeugen konnte teilzunehmen und das Fahrer wie Graham Hill und
Jochen Rindt an den Fahrtaufnahmen mitwirkten. Im Film fällt der Satz, frei übersetzt: “Um etwas
gefährliches zu machen, ist das Fehlen von Vorstellungskraft sehr nützlich.” Zu
sagen John Frankenheimer und seinem Team hätte Vorstellungskraft gefehlt wäre
anmaßend, aber durch das Weglassen von fiktiven Elementen, übernatürlicher
Dramatisierung und Glorifizierung ist es gelungen der Formel 1 ein mahnendes
und zugleich feierndes Denkmal, inklusive Ouvertüre und Zwischenspiel, zu
setzen.