Freitag, 27. Mai 2011

Die Blicke von Godzilla und dem Roboter trafen sich und...

Japan ist ein faszinierender Ort und Japaner sind interessante Menschen (wenn auch leider  den momentanen tragischen Umständen nach nicht sehr beneidenswerte). Sie stehen überall in Schlangen an, das Alter eines Fußballers in Japan ist ein wesentlicher Faktor für seine Verdiensthöhe, an jeder Ecke gibt es toten Fisch in den aberwitzigsten Varianten, japanische Gameshows lassen einen regelmäßig ratlos dreinblicken, vor einer firmenrelevanten Entscheidung werden alle konsultiert damit niemand entehrt wird und sein Gesicht verliert obwohl die Entscheidung bereits gefällt worden ist und dennoch entspringen, trotz dieser merkwürdigen Eigenschaften (sicherlich gibt es noch Unmengen mehr, aber welches Land hat die nicht), unglaubliche technische Produkte aus japanischen Köpfen in die Welt. Umso erstaunlicher ist dies, da man als durchschnittlicher Mitteleuropäer haargenau weiß, dass wenn man entgegen der Mehrheit in Bezug auf seine Gewohnheiten handelt  (z.B. Wenn man in einem Mehrparteienhaus wohnt und morgens nackt die Zeitung aus dem Briefkasten holt. Als Mann ohne Pfefferspray in den Beichtstuhl zu gehen. Während eines Transatlantikflugs seine Stricknadeln rausholt) die Folgen in regelmäßiger Weise total nach hinten losgehen.

So kam es, dass im Februar 2011, trotz all der aufgezählten komischen Umstände, die vielleicht wichtigste technische Errungenschaft die Japan jemals hervorgebracht hat, jenseits aller Fotoobjektive und Sushi, endlich den europäischen Markt erreichte und auf den Namen GT-R hörte. Fairerweise muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass der GT-R in seiner Ursprungsversion bereits seit 2009 erhältlich ist. Das Facelift Modell machte dieses Wunderwerk jedoch erst jetzt nahezu perfekt.

2009 Nissan GT-R Black Edition
GT-R
von TheCarSpy


Doch was genau ist das besondere am GT-R? Was macht ihn im Vergleich zu anderen Autos so besonders? Was lässt ihn gegen anderes Auto wie ein junger Gott, herabgestiegen zu den Niederen vom Olymp, wirken?


Nissan GT-R
First super car for everybody?
Nissan GT-R von Ed Callow
Die Offenbarung, dass der GT-R etwas Außergewöhnliches ist, wird bereits bei der firmeneigenen Wahrnehmung des GT-R durch Nissan deutlich. Nissan bezeichnete den GT-R als „first supercar for everybody“. Dies wurde der Öffentlichkeit bewiesen, als der Einführungspreis der Ursprungsversion im Jahr 2009 lediglich 82000 € betrug. Bei Lamborghini oder Ferrari durfte und darf man für einen Neuwagen knapp das Doppelte auf den Tresen legen. Bei manch einem mag nun der Gedanke aufkommen, dass der geringe Preis durch hohe Unterhaltskosten relativiert werden könnten. Doch auch hier wird der GT-R der „first supercar for everybody“ Devise gerecht. Wo ein Gallardo innerorts knapp 30l verbraucht, ein Aston Martin DB 9 25l, ein Alfa Romeo 8C 25l, ein Ford GT 25l, ein Koenigsegg CCR 26l und ein Bugatti Veryon sagenhafte 40l, kommt der Nissan GT-R mit familienfreundlichen und sparsamen 18l aus, was in Verbindung mit der PS-Zahl einen fantastischen Wert darstellt.

Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass der Arbeitstitel während der Entwicklung Godzilla lautete. Der Titel eines Supercars (normalerweise Ferraris, Lamborghinis und Paganis etc. vorbehalten) in Zusammenhang mit dem Namen Godzilla, lässt sehr tief blicken, was Nissan mit dem GT-R vorhatte. Bekannterweise wird Japan traditionell jedes Quartal von Godzilla zerstört, verständlicherweise haben Japaner entsprechend Angst vor Godzilla. Was wäre einleuchtender gewesen als das Ding, mit dem man den Supercarmarkt von hinten aufrollen wollte und durch das andere Hersteller dem Erdboden gleichgemacht werden sollten, Godzilla zu taufen. Natürlich bestand auch noch die kleine Möglichkeit Godzilla durch diese Hommage gnädig zu stimmen und eventuell dazu zu bewegen nach China auszuwandern.

Gundam Real Grade 1/1
Großvater des Nissan GT-R...Gundam
von Akinori Yamada

Entgegen den angestrebten Besänftigungsversuchen wurde die Unförmigkeit und hässliche Visage Godzillas bei der Karosserie nicht so sehr berücksichtigt. Wen sich das mal nicht rächen wird. Der GT-R sollte das erste eigenständige japanische „supercar“ werden. So nahmen die Japaner von ihrer oftmals getätigten Lieblingsbeschäftigung, Spionage und Plagiierung, abstand und suchten nach eigener kultureller Inspiration die in die Gestaltung einfließen konnte. Fündig wurde man bei einer extrem beliebten Anime Serie und seinem riesigen Roboter Gundam, welcher angeblich nachhaltig das Design des Dachs, der Ausrichtung und anderen Merkmalen beeinflusst hat.



Doch wird der GT-R dem Anspruch tatsächlich ein Supercar zu sein gerecht? Supercars umstrahlt immer eine gewisse Aura, bedingt durch technische Daten und Ausstattung, Design und Exklusivität.

NISSAN GT-R
Godzilla oder Roboter?
Nissan GT-R von Miki Yoshihito
Fährt man in einem Supercar über die Straße, hat man in der Regel den Anspruch, das Kinder mit dem Finger auf den reichen Mann aus der Stadt hinter dem Steuer zeigen, das Frauen stehen bleiben und umgehend eine Scheidung oder Trennung in Betracht ziehen und dazusteigen und schließlich, dass man sich von der grauen, trostlosen und armen Menge der Mercedes und BMW Fahrer abhebt. Im März 2011 wurden 27 Neuwagen des GT-R in Deutschland zugelassen. Die Menge ist im Vergleich zum Mercedes E-Klasse Coupe, wenn auch kein Supercar aber immerhin ein Sportwagen, verschwindend gering (1336 Neuzulassungen), dennoch ist sie 27 mal so hoch wie die Zulassungsrate des Lexus LFA (eine Neuzulassung im März). Geht man von 27 Neuzulassungen im Monat als Festwert aus, würde man im Jahr auf 324 Neuzulassungen kommen. Bei 324 GT-R auf ca. 50 000 000 Autos, sollte die Quote dem Eigentümer dennoch ein gewisses Exotentum gewährleisten.


Doch auch jenseits der reinen Zulassungszahlen braucht der GT-R sich im Kreise der Götter nicht zu verstecken. An Ausstattung lässt er nichts wesentliches, was man von Autos solcher Klasse in Bereichen der Sicherheit, Komfort und des Stils gewohnt ist, vermissen. (Freisprecheinrichtung, 100 000 Airbags, Rennsitze, Sitzheizung, Lederlenkrad und, und, und…) Einige Merkmale sollten jedoch einzeln erwähnt werden, da sie klipp und klar das Anspruchsdenken Nissans verdeutlichen.


Innenraum Nissan GT-R
Zwischen den großen japanischen Automobilproduzenten herrscht ein Gentlemen’s Agreement kein Straßenauto für den japanischen Markt mit mehr als 276 PS zu produzieren. Folglich musste der GT-R mit seinen 530 PS (bzw. 485 PS ursprünglich, 0-100 km/h in 3,8 sek. ohne launch control) gedrosselt werden. Nissan wollte zwei Dinge. Erstens das Agreement nicht verletzten, da Japaner Ehrenmenschen sind und Nissan einen rituellen firmeninternen Massenselbstmord vorbeugen wollte, und zweitens den GT-R seiner Bestimmung nachkommen zu lassen: Einfach verdammt schnell fahren. Nissan umging dieses Problem auf ein einzigartige Art und Weise, indem sie die Drosselung an das GPS-System koppelten welches eine Automatische Freischaltung der restlichen PS vollzog sobald der GT-R sich auf einer Rennstrecke oder außerhalb Japans befand.

Multifunktionsdisplay des GT-R
Weitere Details lassen darauf schließen, dass Nissan Exzellenz anstrebte. Das voll anpassbare und frei konfigurierbare Multifunktionsdisplay (G-Werte, Verbrauch, Motor und Öltemperatur, Beschleunigung, Steuerungsverhalten, Stoppuhr, Belastung etc.) ließ Nissan von Polyphony Digital entwickeln, dem Entwicklerstudio schlechthin wenn es um Autos und Grafik geht (u.a. verantwortlich für die Gran Turismo Reihe). Ziel dieser Zusammenarbeit war ein optimales Ergebnis einer Mischung aus Anwenderfreundlichkeit, Komplexität und Schönheit mit dem finalen Vorhaben jeder beliebigen Person, die sich hinter das Steuer eines GT-R setzen sollte, zu verdeutlichen, dass Autofahren soviel mehr ist und sein kann als von A nach B zu fahren.

Nicht nur im Gebrauch sondern auch in der Produktion eines Automobils herrschte bei Nissan das Bild eines höheren Sinnes vor. So kam es, dass aufgrund dieser Einstellung die monatliche Produktionsrate des GT-R auf eine Anzahl von 1000 limitiert werden musste, da unter anderem der Motor und das Doppelkupplungsgetriebe liebevoll und mit viel Hingabe von japanischen Händen gefertigt wurden. (unter anderem auch der Grund weswegen Motor und Getrieben eines GT-R während des Montage speziell aufeinander abgestimmt werden, daher nur in der ursprünglichen Kombination funktionieren und nicht austauschbar sind).

Produktion von Hand bei Nissan

Stellt der Nissan GT-R nun den endlich gefundenen Stein der Weisen dar? Das „supercar for everybody“? Ja! Die technischen Daten sind über jeden Zweifel erhaben, auch in vergleichender Betrachtung seiner italienischen, deutschen und englischen Cousins und Cousinen. Preislich spielt der GT-R mit seinem niedrigen Preis in einer sehr hohen Klasse. Exklusivität und Ausstattung ist vorzüglich. Und gibt es etwas besseres, als ein Auto aus einer Mischung aus riesigem Roboter und Godzilla, dass den Rundenrekrod des Nürburgrings für Serienautos vergewaltigte?


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