Wer erinnert sich nicht an sein erstes Auto. An den
speziellen Moment in dem einem klar wurde, dass von nun an zwischen der
Freiheit und einem selbst nicht mehr als ein paar lächerliche Liter Benzin
stehen würden. An das Gefühl des positiven Schocks als einem bewusst wurde,
dass der Freizeitradius und Zeitraum von nun an nicht mehr von Fußweg,
Fahrradzustand oder Fahrplänen bestimmt wird. An den ersten Urlaub mit dem
eigenen Auto, bei dem man verzweifelt mit dem Beifahrer die richtige Abfahrt
sucht während die hinteren Plätze randalieren. An die erste Fahrt mit seinen
Kindern, während der man sich an jeder roten Ampel umdreht und genervt nach
hinten brüllt, dass man gleich umdrehen werde.
Sieht man immer wieder in Zusammenhang mit Roadtrips: Auto von Pluca |
Naheliegend wäre also von einer heilen Autofahrerwelt
auszugehen. Dies wäre falsch und naiv. Die Existenz des gepflegten und
kultivierten Autofahrens ist in seinen Grundfesten bedroht. Wer würde so etwas
tun? Ist es ein Bösewicht der im Dschungel eine uneinnehmbare Festung errichtet
hat? Haben führende Köpfe der weltweit größten Konzerne eine Verschwörung
ausgeheckt? Operiert der Bösewicht vielleicht doch vom Grund des Ozeans aus? Oder
ist die Erklärung der Bedrohung doch viel einfacher und letztendlich sind
billigere Flugtickets und ein inzwischen besser ausgebautes Bahnnetz der Grund?
Bestimmt!
Nein! Die Wahrheit ist viel schockierender und grausamer als
alles angedachte. Der rosa Himmel des Autofahrerparadieses hat sich durch Autokanibalismustendenzen
schwarz gefärbt. Wie Schweine eingepfercht ohne Essen, fressen und zerfleischen
Autophile sich und ihre Gewohnheiten gegenseitig.
Die mit Abstand gravierendste Verstümmelung von weitreichender
Bedeutung ist die Verkommenheit der Institution „Roadtrip“, der letzten echten
Möglichkeit Abenteuer zu erleben. All das, was einen „Roadtrip“ ausmacht
scheint leider mit zunehmender Sicherheit in Vergessenheit zu geraten. Die
gewollte Planlosigkeit eines „Idealroadtrips“ wird durch Struktur und geplante
Routen ausgetauscht.
04:00 Nacktjoggen im Englischen Garten München
06:00 Brandenburger Tor bestaunen
09:00 Dresden und Elbtal anschauen
11:00 Brunch in Garmisch
11:30 Schwimmen im Bodensee mit Neoprenanzug
12:24 Siesta im Ruhrgebiet
13:45 Besteigung des Kölner Doms
15:20 Holland anschauen
16:00 Belgien anschauen
16:20 Nacktjoggen in der Eifel
17:00 Rostock anschauen, evtl. nacktjoggen
18:00 Nudistentreffen Wattendscheid, defenitiv noch ein wenig nacktjoggen
19:00 Tanken und Heimweg
Bekommt man während eines Roadtrips in der Eifel häufiger zu Gesicht: Tiere |
Einfaches Einsteigen, Zelt im Kofferraum, eine eventuell
gefüllte Brieftasche für Hotels, Straßenkarten und Navigationssysteme raus aus
dem Auto, losfahren mit angenehmen und lustigen Zeitgenossen, nur Landstraßen
nutzen und abbiegen nach Bauchgefühl sind Attribute vergangener Tage. Einfach
schlicht untragbar! Schließlich hat das,
dass Auto erst zum Auto gemacht, hat Deutschland zu der Autofahrernation
gemacht die es ist und wie es in der Welt heute noch gesehen wird und hat uns
zahlreiche prägende Abenteuer gegeben. Vergisst man diese Verhaltensweisen,
beraubt man sich auf unvergeblicher Art seiner Wurzeln.
Ergänzt man diese Verhaltensweisen jedoch mit einem
stressfreien Zeitfenster und einem guten Soundtrack, wird man sich garantiert auch
noch im hohen Alter von Alzheimer geplagt an jedes Detail des „Roadtrips“ und
der damit verbundenen Abenteuer erinnern. An das unglaubliche Panorama, dass
sich nach unzähligen tristen Kilometern unerwartet hinter einer Kurve auftat.
An die in der Heckscheibe steckende Mistgabel eines Eifelbauern, der Beifahrer hatte sich der Tochter auf dem Dorffest auf
falscher Weise genährt. An das Wildcampen am Fuß eines stillgelegten
Atomkraftwerkes. An das Frühstück, mit den besten Zutaten aus dem örtlichen
Tante Emma Laden, im Sonnenschein auf der Motorhaube am Ufer des Bodensees. An
den freundlichen Anhalter den man hinter Wattenscheid auflas, der sich später
in der Bild als notorischer Sexualstraftäter mit einer Vorliebe für erwachsene Männer entpuppte. An den Moment im
strömenden Regen in dem man lachend feststellt, dass kein Wagenheber an Bord
ist, das Ersatzrad sowieso sieben Löcher hat, keine Werkstatt im Umkreis von
73km von der Insolvenz verschont geblieben ist und man innerhalb der nächsten
halben Stunde von einem Bären gegessen wird. An den Sonnenuntergang, bei dem alle Insassen
im Chor „Closing time“ (der Text und die Melodie sind simpel, so dass auch der
letzte Affe mitmachen kann) singen.
Was gibt es besseres, als das Gefühl von Freiheit, das
Unwissen wo man morgen um die selbe Uhrzeit sein wird, die Möglichkeit sich
einfach von Gefühlen treiben zu lassen, der Gesellschaft und dem Witz von guten
Freunden, dem Essen in freier Natur und dem Essen in abgelegenen Gaststätten?
Was gibt es besseres als Abenteuer? Wozu in andere Länder reisen wenn es hier
Alpenbäche und Seen, fantastische Natur, den besten Alkohol, unglaubliches
Essen und einige der besten Straßen gibt? Wozu die Freiheit vor Augen gegen
einen fetten Sitznachbarn und kreischende Kinder eintauschen? Unerklärlich!
Drum sollte in Zukunft
die hochoffizielle Karrenkult Formel, mit der jeder „Nazimäßig-durchgeplanter-wir-fahren-gen-Ziel-Urlaub“
in einen erfolgreichen Roadtrip transformiert wird, beachtet werden:
Auto+Freunde+Nahrung+gute Straße+gute Musik+kein Plan+kein
Stress+kein Zeidruck+Zelt+Geld-Sexualstraftäter = Roadtrip