Montag, 12. September 2011

Ein Plädoyer für den Roadtrip...


Wer erinnert sich nicht an sein erstes Auto. An den speziellen Moment in dem einem klar wurde, dass von nun an zwischen der Freiheit und einem selbst nicht mehr als ein paar lächerliche Liter Benzin stehen würden. An das Gefühl des positiven Schocks als einem bewusst wurde, dass der Freizeitradius und Zeitraum von nun an nicht mehr von Fußweg, Fahrradzustand oder Fahrplänen bestimmt wird. An den ersten Urlaub mit dem eigenen Auto, bei dem man verzweifelt mit dem Beifahrer die richtige Abfahrt sucht während die hinteren Plätze randalieren. An die erste Fahrt mit seinen Kindern, während der man sich an jeder roten Ampel umdreht und genervt nach hinten brüllt, dass man gleich umdrehen werde.

Cars
Sieht man immer wieder in Zusammenhang
 mit Roadtrips: Auto
von Pluca
Insofern befindet man sich auf der sicheren Seite, wenn man behauptet, dass das Auto jeden einzelnen in seinem Leben aktiv, abgesehen von all den Ökofaschisten und Fußfetischisten auf den Strassen,  begleitet und maßgeblich beeinflusst hat.

Naheliegend wäre also von einer heilen Autofahrerwelt auszugehen. Dies wäre falsch und naiv. Die Existenz des gepflegten und kultivierten Autofahrens ist in seinen Grundfesten bedroht. Wer würde so etwas tun? Ist es ein Bösewicht der im Dschungel eine uneinnehmbare Festung errichtet hat? Haben führende Köpfe der weltweit größten Konzerne eine Verschwörung ausgeheckt? Operiert der Bösewicht vielleicht doch vom Grund des Ozeans aus? Oder ist die Erklärung der Bedrohung doch viel einfacher und letztendlich sind billigere Flugtickets und ein inzwischen besser ausgebautes Bahnnetz der Grund? Bestimmt!

Nein! Die Wahrheit ist viel schockierender und grausamer als alles angedachte. Der rosa Himmel des Autofahrerparadieses hat sich durch Autokanibalismustendenzen schwarz gefärbt. Wie Schweine eingepfercht ohne Essen, fressen und zerfleischen Autophile sich und ihre Gewohnheiten gegenseitig.

Do we still need a NANO ?
Heile Autofahrer Welt?
von Lingaraj G J

Die mit Abstand gravierendste Verstümmelung von weitreichender Bedeutung ist die Verkommenheit der Institution „Roadtrip“, der letzten echten Möglichkeit Abenteuer zu erleben. All das, was einen „Roadtrip“ ausmacht scheint leider mit zunehmender Sicherheit in Vergessenheit zu geraten. Die gewollte Planlosigkeit eines „Idealroadtrips“ wird durch Struktur und geplante Routen ausgetauscht. 


04:00 Nacktjoggen im Englischen Garten München 
06:00 Brandenburger Tor bestaunen
09:00 Dresden und Elbtal anschauen
11:00 Brunch in Garmisch 
11:30 Schwimmen im Bodensee mit Neoprenanzug
12:24 Siesta im Ruhrgebiet
13:45 Besteigung des Kölner Doms
15:20 Holland anschauen
16:00 Belgien anschauen
16:20 Nacktjoggen in der Eifel
17:00 Rostock anschauen, evtl. nacktjoggen
18:00 Nudistentreffen Wattendscheid, defenitiv noch ein wenig nacktjoggen
19:00 Tanken und Heimweg


Lion
Bekommt man während eines Roadtrips in der Eifel
häufiger zu Gesicht: Tiere
Einfaches Einsteigen, Zelt im Kofferraum, eine eventuell gefüllte Brieftasche für Hotels, Straßenkarten und Navigationssysteme raus aus dem Auto, losfahren mit angenehmen und lustigen Zeitgenossen, nur Landstraßen nutzen und abbiegen nach Bauchgefühl sind Attribute vergangener Tage. Einfach schlicht untragbar!  Schließlich hat das, dass Auto erst zum Auto gemacht, hat Deutschland zu der Autofahrernation gemacht die es ist und wie es in der Welt heute noch gesehen wird und hat uns zahlreiche prägende Abenteuer gegeben. Vergisst man diese Verhaltensweisen, beraubt man sich auf unvergeblicher Art seiner Wurzeln.

Ergänzt man diese Verhaltensweisen jedoch mit einem stressfreien Zeitfenster und einem guten Soundtrack, wird man sich garantiert auch noch im hohen Alter von Alzheimer geplagt an jedes Detail des „Roadtrips“ und der damit verbundenen Abenteuer erinnern. An das unglaubliche Panorama, dass sich nach unzähligen tristen Kilometern unerwartet hinter einer Kurve auftat. An die in der Heckscheibe steckende Mistgabel eines Eifelbauern, der Beifahrer  hatte sich der Tochter auf dem Dorffest auf falscher Weise genährt. An das Wildcampen am Fuß eines stillgelegten Atomkraftwerkes. An das Frühstück, mit den besten Zutaten aus dem örtlichen Tante Emma Laden, im Sonnenschein auf der Motorhaube am Ufer des Bodensees. An den freundlichen Anhalter den man hinter Wattenscheid auflas, der sich später in der Bild als notorischer Sexualstraftäter mit einer Vorliebe für erwachsene Männer entpuppte. An den Moment im strömenden Regen in dem man lachend feststellt, dass kein Wagenheber an Bord ist, das Ersatzrad sowieso sieben Löcher hat, keine Werkstatt im Umkreis von 73km von der Insolvenz verschont geblieben ist und man innerhalb der nächsten halben Stunde von einem Bären gegessen wird.  An den Sonnenuntergang, bei dem alle Insassen im Chor „Closing time“ (der Text und die Melodie sind simpel, so dass auch der letzte Affe mitmachen kann) singen.


Mullamullang camp site with Dick, Dianne and Rick 1965, on return from Perth.
Richtige Roadtrip Residenz
von spelio

Was gibt es besseres, als das Gefühl von Freiheit, das Unwissen wo man morgen um die selbe Uhrzeit sein wird, die Möglichkeit sich einfach von Gefühlen treiben zu lassen, der Gesellschaft und dem Witz von guten Freunden, dem Essen in freier Natur und dem Essen in abgelegenen Gaststätten? Was gibt es besseres als Abenteuer? Wozu in andere Länder reisen wenn es hier Alpenbäche und Seen, fantastische Natur, den besten Alkohol, unglaubliches Essen und einige der besten Straßen gibt? Wozu die Freiheit vor Augen gegen einen fetten Sitznachbarn und kreischende Kinder eintauschen?  Unerklärlich!

Drum sollte in Zukunft  die hochoffizielle Karrenkult Formel, mit der jeder „Nazimäßig-durchgeplanter-wir-fahren-gen-Ziel-Urlaub“ in einen erfolgreichen Roadtrip transformiert wird, beachtet werden:

Auto+Freunde+Nahrung+gute Straße+gute Musik+kein Plan+kein Stress+kein Zeidruck+Zelt+Geld-Sexualstraftäter = Roadtrip

(entgegen dem Gesagten, gilt die Formel natürlich auch für Roadtrips innerhalb der EU und der restlichen zivilisierten Welt. Für Weißrussland, Afrika und Kolumbien gilt noch ein +Waffen) 




Donnerstag, 1. September 2011

Vorsicht Maggie! Der Frühling....


Mode geht, Mode kommt und früher war alles besser. Demnach kann man sich sicher sein, dass früher oder später die Zeit um das Ende der Sowjetunion herum bald wieder extrem angesagt sein wird.

028
Bald wieder modern? Foto Pete Brown
Hasselhoff, Baywatch, Cheers, CDU, NDW, die ARD, das ZDF und die USA werden unsausweichlich ihren zweiten Frühling erleben. Insofern sollte man sich wappnen, damit sich jeder von Beginn dieser neuen und aufregenden Zeit an, würdevoll und entsprechend seines Standes verhalten kann. Ziele und Fragen die jeden bewegen: Wie kann ich also meinen Nachbarn übertrumpfen? Wodurch kann ich der härteste Stecher in meiner Reihenhaussiedlung werden? Ich brauche oder muss etwas tun, dass mehr als alle Hawaiihemden, Fliegersonnenbrillen, Ronald Reagan Fotos und leuchtende Finger zusammen genommen, für den in den 80er und Anfang 90er Jahren vorherrschenden Geist steht.

Doch dies ist schwieriger als man denkt. Reißt man die nächste Mauer ein, bekommt man Probleme mit den Nachbarn und steht als Idiot dar. Schleicht man sich zum Nachbarn und veranstalte dort eine spontane Pyjamaparty - erneut steht man als Idiot dar. Schnallt man sich Kanister auf den Rücken und macht Jagd auf dicke, große und weiße Männchen – man steht als absolut vollkommener Idiot dar und endet zwangsläufig in der Geschlossenen.
Was also tun? Aufgeben? Den Trend aussitzen? Auf gar keinen Fall, denn Abhilfe kann in diesem Fall leicht verschafft werden. Also ab in den Keller, ins minzfarbene Sakko rein, Dirty Dancing Soundtrack raussuchen und ab zum nächsten Maschendrahtzauhnautohändler. Ratsam wäre wenn ein Schrottplatz in der Nähe ist…

Denn nichts verkörpert das Verlangen die letzten Atemzüge des kalten Krieges, durch enormen Komfort und der Illusion amerikanischer Freiheit, scheuklappenartig auszublenden so sehr wie das einzige Auto, dass Thatcheristen und Reaganomics gleichermaßen beglückte.
Dieses Auto ist das Chrysler LeBaron Cabriolet.  

1989 LeBaron
1989 LeBaron von John Lloyd
 Das Cabrio der dritten LeBaron Generation wurde von 1986 bis 1995 gebaut. Chrysler schaffte es fast 350 000 Stück weltweit abzusetzen. Anfang der 90er Jahre avancierte der LeBaron in den USA zum meistverkauften Cabrio, doch in Deutschland wollte sich der Wagen nicht recht durchsetzen. Zwar sorgte ein LeBaron regelmäßig für Kopfdrehen bei Passanten, hinterherlaufende Kinder bei der Durchfahrt eines Dorfes oder ein verlegenes Kichern der Beifahrerin sobald man das elektrische Verdeck vorgeführt hatte, aber kaufen für 50000 DM (+/- 5000 DM) wollte ihn niemand.

Ausgelegt war der LeBaron für vier Personen. Konkurrenten gab es damals nur in Form des 3er von BMW und des, wenn auch erst gegen Ende der Produktion des Chryslers, Saab 900. Das Platzangebot im Rückraum war sicherlich diskussionswürdig für einen Erwachsenen, aber für Kinder im Alter von 0-10 sollte er sicherlich, solange niemand großwüchsig war, ausgereicht haben. Umso erstaunlicher, dass nur die wenigsten jungen und dynamischen Väter der Wendezeit sich angesprochen fühlten. Obendrein hätten sich alle sicherheitsbewussten Familienväter beim örtlichen Chryslerhändler um den LeBaron regelrecht prügeln müssen, denn ab 1989 hatte der LeBaron als einer der wenigen Wagen auf dem Markt serienmäßig ein Fahrerairbag. Dazu spendierte Chrysler noch elektrische Fensterheber, serienmäßige Klimaanlage und das bereits erwähnte elektrische Verdeck, für den europäischen Markt eine damalige absolute Ausnahmeerscheinung. Abgesehen davon waren die klappbaren Scheinwerfer, welche leider 1993 nach einem Facelift als nicht zeitgemäß betrachtet wurden, alleine schon den Kauf wert.
LeBaron
LeBaron von Rubens Martins


Ein weiteres Argument für den LeBaron war die Beschleunigung des V6 (Mitsubishi-Motor) und der Turbomotoren. Zwar konnte man mit ihnen nur geradeaus fahren, dies jedoch sehr gut.


Denn sobald der LeBaron sich anschickte eine Kurve mit leicht überhöhter Geschwindigkeit, manchmal reichte auch schon die vorgeschriebene, anzugehen, fürchtete man sich nach der Kurve einen Blick hinter sich zu werfen. Enormes Knarren und Knarzen vermittelte den Eindruck, dass 17% des Wagens in der Kurve liegengeblieben sind. Nicht nur Landstraßen waren schwieriges und gefährliches Gelände für den LeBaron. Auch die Autobahn barg seine Tücken. Zum einen entwickelte sich mit zunehmender Geschwindigkeit eine extreme Lärmkulisse und zum anderen gaben die Bremsen nach ca. 10 Vollbremsungen den Geist auf und mussten ausgetauscht werden. Häufig machte sich auch die minderwertige Qualität des Innenraums durch Risse im Leder und typische Plastikprobleme bemerkbar. Ferner waren Getriebe- und Motorschäden typisch für den LeBaron, wodurch man sich nun berechtigter Weise die Fragen stellen kann und darf, wieso sollte ich mir so ein Auto kaufen? Wieso sollte ich mein hart im Bergwerk verdientes Geld für einen Haufen amerikanischen, kapitalistischen Metallmüll ausgeben? Warum sollte ich mir die Pest ins Haus holen?

Weil es ein toller Haufen Müll ist. Weil dieser Müll in einem guten Zustand lediglich 1000€-2500€ kostet. Weil dieser Müllhaufen nach wie vor fantastisch aussieht. Weil dieser Müll eines der letzten Autos ist, die einen Stück vom amerikanischen Traum vermitteln.
Weil normal gefahren er ein extrem komfortabler Müllhaufen ist und weil sogar die Pest mit entsprechenden hygienischen und vorbeugenden Maßnahmen ohne Probleme in den Griff zu bekommen ist, was wie so oft unsere Vorfahren nicht wussten. Wie so oft heißt es aus der Geschichte lernen und zuschlagen bevor es zu spät ist. Wenn die Russen, oder eventuell dieses Mal die Finnen, sich hinter ihrem Vorhang erneut verkriechen sollten, kann man seine Ängste ohne Probleme verdrängen, indem man seine Garage aufsucht.
 
1990 LeBaron
Haufen Müll? - 1990 LeBaron von Hugo Lloyd