Donnerstag, 1. September 2011

Vorsicht Maggie! Der Frühling....


Mode geht, Mode kommt und früher war alles besser. Demnach kann man sich sicher sein, dass früher oder später die Zeit um das Ende der Sowjetunion herum bald wieder extrem angesagt sein wird.

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Bald wieder modern? Foto Pete Brown
Hasselhoff, Baywatch, Cheers, CDU, NDW, die ARD, das ZDF und die USA werden unsausweichlich ihren zweiten Frühling erleben. Insofern sollte man sich wappnen, damit sich jeder von Beginn dieser neuen und aufregenden Zeit an, würdevoll und entsprechend seines Standes verhalten kann. Ziele und Fragen die jeden bewegen: Wie kann ich also meinen Nachbarn übertrumpfen? Wodurch kann ich der härteste Stecher in meiner Reihenhaussiedlung werden? Ich brauche oder muss etwas tun, dass mehr als alle Hawaiihemden, Fliegersonnenbrillen, Ronald Reagan Fotos und leuchtende Finger zusammen genommen, für den in den 80er und Anfang 90er Jahren vorherrschenden Geist steht.

Doch dies ist schwieriger als man denkt. Reißt man die nächste Mauer ein, bekommt man Probleme mit den Nachbarn und steht als Idiot dar. Schleicht man sich zum Nachbarn und veranstalte dort eine spontane Pyjamaparty - erneut steht man als Idiot dar. Schnallt man sich Kanister auf den Rücken und macht Jagd auf dicke, große und weiße Männchen – man steht als absolut vollkommener Idiot dar und endet zwangsläufig in der Geschlossenen.
Was also tun? Aufgeben? Den Trend aussitzen? Auf gar keinen Fall, denn Abhilfe kann in diesem Fall leicht verschafft werden. Also ab in den Keller, ins minzfarbene Sakko rein, Dirty Dancing Soundtrack raussuchen und ab zum nächsten Maschendrahtzauhnautohändler. Ratsam wäre wenn ein Schrottplatz in der Nähe ist…

Denn nichts verkörpert das Verlangen die letzten Atemzüge des kalten Krieges, durch enormen Komfort und der Illusion amerikanischer Freiheit, scheuklappenartig auszublenden so sehr wie das einzige Auto, dass Thatcheristen und Reaganomics gleichermaßen beglückte.
Dieses Auto ist das Chrysler LeBaron Cabriolet.  

1989 LeBaron
1989 LeBaron von John Lloyd
 Das Cabrio der dritten LeBaron Generation wurde von 1986 bis 1995 gebaut. Chrysler schaffte es fast 350 000 Stück weltweit abzusetzen. Anfang der 90er Jahre avancierte der LeBaron in den USA zum meistverkauften Cabrio, doch in Deutschland wollte sich der Wagen nicht recht durchsetzen. Zwar sorgte ein LeBaron regelmäßig für Kopfdrehen bei Passanten, hinterherlaufende Kinder bei der Durchfahrt eines Dorfes oder ein verlegenes Kichern der Beifahrerin sobald man das elektrische Verdeck vorgeführt hatte, aber kaufen für 50000 DM (+/- 5000 DM) wollte ihn niemand.

Ausgelegt war der LeBaron für vier Personen. Konkurrenten gab es damals nur in Form des 3er von BMW und des, wenn auch erst gegen Ende der Produktion des Chryslers, Saab 900. Das Platzangebot im Rückraum war sicherlich diskussionswürdig für einen Erwachsenen, aber für Kinder im Alter von 0-10 sollte er sicherlich, solange niemand großwüchsig war, ausgereicht haben. Umso erstaunlicher, dass nur die wenigsten jungen und dynamischen Väter der Wendezeit sich angesprochen fühlten. Obendrein hätten sich alle sicherheitsbewussten Familienväter beim örtlichen Chryslerhändler um den LeBaron regelrecht prügeln müssen, denn ab 1989 hatte der LeBaron als einer der wenigen Wagen auf dem Markt serienmäßig ein Fahrerairbag. Dazu spendierte Chrysler noch elektrische Fensterheber, serienmäßige Klimaanlage und das bereits erwähnte elektrische Verdeck, für den europäischen Markt eine damalige absolute Ausnahmeerscheinung. Abgesehen davon waren die klappbaren Scheinwerfer, welche leider 1993 nach einem Facelift als nicht zeitgemäß betrachtet wurden, alleine schon den Kauf wert.
LeBaron
LeBaron von Rubens Martins


Ein weiteres Argument für den LeBaron war die Beschleunigung des V6 (Mitsubishi-Motor) und der Turbomotoren. Zwar konnte man mit ihnen nur geradeaus fahren, dies jedoch sehr gut.


Denn sobald der LeBaron sich anschickte eine Kurve mit leicht überhöhter Geschwindigkeit, manchmal reichte auch schon die vorgeschriebene, anzugehen, fürchtete man sich nach der Kurve einen Blick hinter sich zu werfen. Enormes Knarren und Knarzen vermittelte den Eindruck, dass 17% des Wagens in der Kurve liegengeblieben sind. Nicht nur Landstraßen waren schwieriges und gefährliches Gelände für den LeBaron. Auch die Autobahn barg seine Tücken. Zum einen entwickelte sich mit zunehmender Geschwindigkeit eine extreme Lärmkulisse und zum anderen gaben die Bremsen nach ca. 10 Vollbremsungen den Geist auf und mussten ausgetauscht werden. Häufig machte sich auch die minderwertige Qualität des Innenraums durch Risse im Leder und typische Plastikprobleme bemerkbar. Ferner waren Getriebe- und Motorschäden typisch für den LeBaron, wodurch man sich nun berechtigter Weise die Fragen stellen kann und darf, wieso sollte ich mir so ein Auto kaufen? Wieso sollte ich mein hart im Bergwerk verdientes Geld für einen Haufen amerikanischen, kapitalistischen Metallmüll ausgeben? Warum sollte ich mir die Pest ins Haus holen?

Weil es ein toller Haufen Müll ist. Weil dieser Müll in einem guten Zustand lediglich 1000€-2500€ kostet. Weil dieser Müllhaufen nach wie vor fantastisch aussieht. Weil dieser Müll eines der letzten Autos ist, die einen Stück vom amerikanischen Traum vermitteln.
Weil normal gefahren er ein extrem komfortabler Müllhaufen ist und weil sogar die Pest mit entsprechenden hygienischen und vorbeugenden Maßnahmen ohne Probleme in den Griff zu bekommen ist, was wie so oft unsere Vorfahren nicht wussten. Wie so oft heißt es aus der Geschichte lernen und zuschlagen bevor es zu spät ist. Wenn die Russen, oder eventuell dieses Mal die Finnen, sich hinter ihrem Vorhang erneut verkriechen sollten, kann man seine Ängste ohne Probleme verdrängen, indem man seine Garage aufsucht.
 
1990 LeBaron
Haufen Müll? - 1990 LeBaron von Hugo Lloyd

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