Mode geht, Mode kommt und früher war alles besser. Demnach
kann man sich sicher sein, dass früher oder später die Zeit um das Ende der
Sowjetunion herum bald wieder extrem angesagt sein wird.
Bald wieder modern? Foto Pete Brown |
Doch dies ist schwieriger als man denkt. Reißt man die
nächste Mauer ein, bekommt man Probleme mit den Nachbarn und steht als Idiot
dar. Schleicht man sich zum Nachbarn und veranstalte dort eine spontane
Pyjamaparty - erneut steht man als Idiot dar. Schnallt man sich Kanister auf
den Rücken und macht Jagd auf dicke, große und weiße Männchen – man steht als
absolut vollkommener Idiot dar und endet zwangsläufig in der Geschlossenen.
Was also tun? Aufgeben? Den Trend aussitzen? Auf gar keinen
Fall, denn Abhilfe kann in diesem Fall leicht verschafft werden. Also ab in den
Keller, ins minzfarbene Sakko rein, Dirty Dancing Soundtrack raussuchen und ab
zum nächsten Maschendrahtzauhnautohändler. Ratsam wäre wenn ein Schrottplatz in
der Nähe ist…
Denn nichts verkörpert das Verlangen die letzten Atemzüge
des kalten Krieges, durch enormen Komfort und der Illusion amerikanischer
Freiheit, scheuklappenartig auszublenden so sehr wie das einzige Auto, dass
Thatcheristen und Reaganomics gleichermaßen beglückte.
Dieses Auto ist das Chrysler LeBaron Cabriolet.
1989 LeBaron von John Lloyd |
Ausgelegt war der LeBaron für vier Personen. Konkurrenten
gab es damals nur in Form des 3er von BMW und des, wenn auch erst gegen Ende
der Produktion des Chryslers, Saab 900. Das Platzangebot im Rückraum war
sicherlich diskussionswürdig für einen Erwachsenen, aber für Kinder im Alter
von 0-10 sollte er sicherlich, solange niemand großwüchsig war, ausgereicht
haben. Umso erstaunlicher, dass nur die wenigsten jungen und dynamischen Väter
der Wendezeit sich angesprochen fühlten. Obendrein hätten sich alle
sicherheitsbewussten Familienväter beim örtlichen Chryslerhändler um den LeBaron
regelrecht prügeln müssen, denn ab 1989 hatte der LeBaron als einer der wenigen
Wagen auf dem Markt serienmäßig ein Fahrerairbag. Dazu spendierte Chrysler noch
elektrische Fensterheber, serienmäßige Klimaanlage und das bereits erwähnte
elektrische Verdeck, für den europäischen Markt eine damalige absolute
Ausnahmeerscheinung. Abgesehen davon waren die klappbaren Scheinwerfer, welche
leider 1993 nach einem Facelift als nicht zeitgemäß betrachtet wurden, alleine
schon den Kauf wert.
Ein weiteres Argument für den LeBaron war die Beschleunigung
des V6 (Mitsubishi-Motor) und der Turbomotoren. Zwar konnte man mit ihnen nur
geradeaus fahren, dies jedoch sehr gut.
Denn sobald der LeBaron sich anschickte eine Kurve mit
leicht überhöhter Geschwindigkeit, manchmal reichte auch schon die
vorgeschriebene, anzugehen, fürchtete man sich nach der Kurve einen Blick
hinter sich zu werfen. Enormes Knarren und Knarzen vermittelte den Eindruck,
dass 17% des Wagens in der Kurve liegengeblieben sind. Nicht nur Landstraßen
waren schwieriges und gefährliches Gelände für den LeBaron. Auch die Autobahn
barg seine Tücken. Zum einen entwickelte sich mit zunehmender Geschwindigkeit
eine extreme Lärmkulisse und zum anderen gaben
die Bremsen nach ca. 10 Vollbremsungen den Geist auf und mussten ausgetauscht
werden. Häufig machte sich auch die minderwertige Qualität des Innenraums durch
Risse im Leder und typische Plastikprobleme bemerkbar. Ferner waren Getriebe-
und Motorschäden typisch für den LeBaron, wodurch man sich nun berechtigter
Weise die Fragen stellen kann und darf, wieso sollte ich mir so ein Auto
kaufen? Wieso sollte ich mein hart im Bergwerk verdientes Geld für einen Haufen
amerikanischen, kapitalistischen Metallmüll ausgeben? Warum sollte ich mir die
Pest ins Haus holen?
Weil es ein toller Haufen Müll ist. Weil dieser Müll in
einem guten Zustand lediglich 1000€-2500€ kostet. Weil dieser Müllhaufen nach
wie vor fantastisch aussieht. Weil dieser Müll eines der letzten Autos ist, die
einen Stück vom amerikanischen Traum vermitteln.
Weil normal gefahren er ein extrem komfortabler Müllhaufen
ist und weil sogar die Pest mit entsprechenden hygienischen und vorbeugenden
Maßnahmen ohne Probleme in den Griff zu bekommen ist, was wie so oft unsere
Vorfahren nicht wussten. Wie so oft heißt es aus der Geschichte lernen und
zuschlagen bevor es zu spät ist. Wenn die Russen, oder eventuell dieses Mal die
Finnen, sich hinter ihrem Vorhang erneut verkriechen sollten, kann man seine
Ängste ohne Probleme verdrängen, indem man seine Garage aufsucht.
Haufen Müll? - 1990 LeBaron von Hugo Lloyd |
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